Bomber im Herzen

„Wenn ich wüsste, was Kunst ist, würde ich es für mich behalten“, bekannte Picasso. Ob er die Songs des Berliner Rappers MC Bomber als solche betrachtet hätte? Klammheimlich? Vielleicht.

Bomber dürfte das egal sein. Ende 2014, nur ein Jahr nach seinem ersten Auftritt im FluxBau, zählte ihn rap.de schon zu den Top 10 Geheimtipps. Parallel avancierte er beim Magazin JUICE zum „höchst interessanten Newcomer“. Seither pfeifen die Spatzen seine Rhymes von deutschen Hiphop-Dächern. Sein Oevre wuchs mit „Storch oder Affen“, den „PBerg Battletapes“ und dem „Topstory Tape“ kontinuierlich auf eine beachtliche Zahl von Releases. „Allesamt Meilensteine des Berliner Untergrund-Raps“, befindet der MC. Wer die nicht gründlich gehört habe, sei nicht auf der Höhe der Zeit.

„Was schüttelst du den Kopf, du idiotischer Hurensohn. Kennst MC Bomber nicht. Ach ich sehe, du googelst schon“, rappt der Künstler auf „PREDIGT“, seinem ersten richtigen Album, wie er es selbst beschreibt. Das Anfang Juli veröffentlichte Werk erschien nicht etwa bei Universal & Co., sondern bei PROLETIK, einem Label des Deutsch-Rap-Urgesteins Frauenarzt, der ihn ursprünglich wegen eines gemeinsamen Videos angesprochen habe, so Bomber. Daraufhin wurde im Frühjahr dieses Jahres mit „KKF“ und „Keine Wissenschaft“ ein gemeinsamer Clip produziert. Und schließlich durfte der aufstrebende Youngster den Senior auf dessen Solo-Tour als Einheizer begleiten und steht mittlerweile wie selbstverständlich neben den Größen des Berliner Untergrunds auf den Bühnen unserer Welt.

Doch Rapper gibt es wie Sand am Meer. Viele sind problemlos austauschbar. Wer braucht schon einen weiteren Wortakrobaten, der M.O.R.-lastige Rhymes in fremde Suppen spuckt?

Man muss zurückblicken, um darauf eine Antwort zu finden. Denn Mitte der 90er Jahre geschah Ungeheuerliches. Vor allem Berliner Rappern gelang es, deutsche Texte, die damals von nur wenigen Fans goutiert wurden, cool zu machen. Als Folge erblickten Labels wie Bassboxxx, Royal Bunker und Aggro Berlin Licht im Untergrund. Sie erregten bürgerliche Gemüter, fluteten den Index und hämmerten sich sowohl unbekümmert wie zunehmend marktorientiert in die Köpfe einer ganzen Generation. Mein Block oder dein Block – das war die Frage. Und aus Rap wurde (R)evolution.

Die aber frisst bekanntlich ihre Kinder. Ein Gutteil des deutschsprachigen Raps wurde salonfähig und dudelt heute zur Primetime aus junggebliebenen Funk- und Fernsehkanälen. Leider Gottes gingen auf dem Weg dorthin so manche Ecken und Kanten verloren. Aus Versehen verhedderte sich deutscher Rap in einer Wohlfühl-Schaukel, und schwingt seither sein poppiges Einerlei im Gewand des sogenannten Deutsch-Poetentums durch den gutbürgerlichen Alltag. So intensiv, dass irgendwann selbst die schläfrigste Seele anfing, auf Erweckung zu hoffen, nach Frischem und Neuem zu gieren. Nach Explosivität und Klarheit. Darauf, dass einer wie Bomber den Durchbruch schaffen möge.

Das Zeug dazu hat er. Sein intuitiver Flow wie auch der irrsinniger Wortwitz, der zuweilen mit näselnd knarziger Stimme vorgetragen wird, machen ihn fraglos zu einem Ausnahmetalent, das alles anderes als austauschbar ist und herzlich wenig Neigung zeigt, auch nur ein hauchdünnes Blatt vor den Mund zu nehmen. Er rappt, wie ihm das Maul gewachsen ist. Über Zotiges und Sexuelles. Über Mülltonnenhausen und Buchholzer Bumsbrocken. Späti zu Serengeti. Muschi auf Sushi.

In guter alter Battle-Manier attackiert Bomber den wohlgefällig-dickbäuchigen Rap-Mainstream. Explicit, tight. Frisch und unbekümmert. Was er zum Reimen bringt, lässt abgefeierte Chart-Poeten wohl gelb anlaufen. Zu wünschen wäre es.

Auch auf seinem Debut-Album „PREDIGT“, mit dem der MC aus dem Stand Platz 7 der deutschen Charts erreichte, hat er seine Freude an postpubertärem Blödsinn nicht verloren. Der Hörer darf sich an Kack-Spasten und Po-Spritz-Indianern erfreuen. Es geht um Manfred, den König vom Helmholtzplatz, um eingelegten Schweinebauch und natürlich ums Torten bügeln. Zugleich kommt das Album konzeptioneller daher als bisherige Veröffentlichungen. Und wirkt ernsthafter. Vielleicht, weil es im Winter entstanden ist, vermutet der P.Berg Ayatollah, der seine missionarischen Vorlieben auch im Titel manifestierte.

„Rap ist ein Hirnfurz“, relativiert Bomber und ergänzt, dass er künstlerisch immer noch autark sei. Vom Label gebe es keine Vorgaben. Nur eine vielleicht. „Ich sollte nicht zu besoffen bei Auftritten erscheinen.“ Davon wird es in diesem Jahr so einige geben, wodurch „Feiern und Ficken“ zum Party-Kracher zwischen Kiel und München avancieren könnte.

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Text: Sarah Paulus (www.sarahpaulus.de)
Foto: Rolf G. Wackenberg (www.wackenberg.com)

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Über Sarah Paulus

Ich bin freie Autorin mit Fokus auf Reportagen und aktuelle Themen rund um Reise, Politik, Menschen und Kultur. Meine Artikel und Reportagen wurden u.a. in der FAZ, der Süddeutschen Zeitung, der Morgenpost, dem Tagesspiegel, der Welt/Welt am Sonntag, bei Spiegel Online sowie in diversen Magazinen veröffentlicht. Sarah Paulus
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