Zeltplatz kann jeder – Teil 4

Die Suche nach dem perfekten Ort

Übernachten in der freien Natur, jenseits von Hotelzimmern und Zeltplatzverordnungen, ist eine feine Sache, die sowohl vom schwedischen „Allemansrätten“ als auch von den landschaftlichen Gegebenheiten mit seiner zuweilen dünnen Besiedlung ermöglicht wird. Sei es das stille Seeufer, eine sonnige Lichtung im Wald oder das Ende einer Landzunge mit Blick auf die Schärengärten – auch hier hat wieder jeder seine eigene Vorstellung vom perfekten Übernachtungsplatz. Diesen planlos und unerfahren zu suchen, ist allerdings meist nur vergebene Liebesmüh. Waldwege können endlos sein, im Dickicht enden oder in einer Ortschaft. Viel Zeit wird vertrödelt. Schade auch! Die gute Nachricht: Wir teilen nachfolgend gern unseren Dreistufenansatz für wildes Campen in Schweden mit euch. Auf diese Weise findet sich der perfekte Übernachtungsstandort wie von selbst, täglich neu:

Stufe 1: Der schwedische Wohlfahrtsstaat und sein freiheitliches Selbstverständnis machen es leicht, den konventionellen Campingplatz weiträumig zu umfahren. Mehr noch, Schweden ist das ideale Land für freies Campieren inmitten von Wald und Wiesen. Ein Eldorado für jeden Einsteiger, weil es im Elchland die Institution Badeplatz (schwedisch: Badplats) gibt. Der Badplats ist eine kommunale Einrichtung mit freiem Zugang zu Seen und Gewässern. Badplatsen verfügen über eine Grundausstattung, von Ort zu Ort nur leicht variierend. Ein kostenloser Parkplatz ist stets vorhanden. Mit Blick auf die anstehende Nacht klingt das doch schon vielversprechend, oder? Fast immer sind Toiletten und Mülleimer anzutreffen. Häufig fließendes Wasser, eine Feuerstelle und mit etwas Glück sogar eine Dusche. Badplatsen sind auf jeder guten Karte eingezeichnet und entlang der Straßen ausgeschildert. Wer es sich also mit der Übernachtung einfach machen will, folgt der Beschilderung und findet sich in der Regel nach wenigen Metern auf einer Wiese am See, einer Waldlichtung oder hinter den Dünen wieder. Dort lässt sich der Tag mit allerlei Aktivitäten verbringen bis die Tagesgäste das Feld räumen, meist so gegen 19 Uhr. Dann kann das Kochgerät ausgepackt werden und der Abend gediegen ausklingen. Abzuraten ist allerdings von Badplatsen, die mit einem Campingplatz verbunden sind. Hier ergeben sich in der Regel keine Chancen zur freien Übernachtung.

Level 2: Wem der Badplats auf Dauer zu profan ist, muss seinem Gefühl vertrauen. Dankbare Übernachtungsmöglichkeiten lassen sich immer wieder in kleinen Orten entlang der Küste und ihren Schärengärten finden. So bot uns der kleine Fischerort Baskemölla einen pittoresken Hafen. Mit Sonnenuntergang, Marina, Badestelle und Wandermöglichkeit. Niemand störte sich an unserer nächtlichen Belagerung des Ortszentrums. Finskan auf Tjurkö bot freien Blick auf Kungsholmen. Bei Västervik verbrachten wir die Nacht auf einem Picknickplatz am Gränsökanal. Abends schipperten unzählige Schiffchen nur wenige Meter entfernt fröhlich an uns vorbei. Bei Lilla Kalvö fanden wir ein eigenes Felsplateau, Meerblick inklusive.

Schwierigkeitsgrad 3: Wem das immer noch zu belebt ist, der kann sich durchs Gelände schlagen. Hilfreich dafür sind die allgemein guten Regionalkarten, die in jedem „Turistbyra“ kostenlos zu finden sind. Zudem sind ein brauchbares Navi, mitten im Wald ein Kompass und viel Gefühl fürs Terrain nicht zu verachten. Auf diesem Weg das Ziel zu finden, kommt dem Besteigen des Siegertreppchens gleich. So entdeckten wir eines Nachmittags am Ufer des in den Rusken mündenden Vrigstadsan eine einsame Hütte mit Holzbetten. Der Sonnenuntergang bei Wein und Gesang war unbeschreiblich. Und Bolmsö im Bolmen bot uns auf diese Weise als Dankeschön den einsamsten und perfektesten aller Plätze. Eine kleine Lichtung direkt am See, wo wir nur uns selbst, besagtem Hirschbock, einem hektischen Schmetterling und blökenden Flugenten begegneten. Wildes Camping par excellence.

Bleibt die Frage nach der Reinlichkeit, die wir im nächsten Teil ausführlich betrachten.

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Text: Sarah Paulus (www.sarahpaulus.de)
Foto: Rolf G. Wackenberg (www.wackenberg.com)

Über Sarah Paulus

Ich bin freie Autorin mit Fokus auf Reportagen und aktuelle Themen rund um Reise, Politik, Menschen und Kultur. Meine Artikel und Reportagen wurden u.a. in der FAZ, der Süddeutschen Zeitung, der Morgenpost, dem Tagesspiegel, der Welt/Welt am Sonntag, bei Spiegel Online sowie in diversen Magazinen veröffentlicht. Sarah Paulus
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