My Car is my Castle
Hochsommer 2014. Schweden. Wir lungern mittags auf einem Parkplatz in Loftahammar herum und treffen auf einen deutschen Auswanderer, der Transporter in Wohnmobile umbaut. „Professionell“, wird betont. Mitleidig schaut er auf das, was wir seit einigen Tagen unser Heim nennen.
Menschliche Vorlieben können nicht unterschiedlicher sein. So lohnt ein kritischer Blick in den Spiegel, bevor man auf die große Reise geht. Wer bin ich? Was will ich? Was nicht? Ein Haus auf Rädern? Die Habseligkeiten auf dem Buckel tragen, die Nächte im Dünengras verbringen? Unterwegs mit Zelt und Fahrrad? Des einen Hymer ist des anderen Sternenhimmel. Romantik hat viele Gesichter.
Romantiker aller Couleur haben wir zu Genüge getroffen. Einen Wanderer, der in den Dünen von Sandhammaren logierte. Über ihm nichts als die nächtliche Galaxie. Eine Familie mit zwei Kleinkindern, die tagelang in einem wirklich sehr kleinen Zelt direkt am Strand schlief. Im Hafen von Baskemölla stießen wir auf zwei stämmige Französinnen, die in einem Kleintransporter hausten. Auf einem Waldparkplatz hinter den Dünen von Furuboda brachte sich ein Luxuscaravan in Stellung, Blumengesteck inklusive. In seinen Schatten wurde wenig später ein alter, rostiger Land Rover mit Dachzelt bugsiert. An einem schweren Regentag begegneten wir nur dem Nötigsten von Vater und Tochter: Ihren zwei Fahrrädern, Regenponchos und einem Kocher. An der Ostküste Ölands rangierte ein schwedisches Ehepaar einen überdimensionierten Anhänger mit so viel Liebe und Ausdauer in die optimale Position, dass 60 Minuten mir nichts dir nichts verflogen. Im kleinen Fährhafen von Finskan auf Tjurkö schließlich kochten zwei junge Schweizer vor einem barocken VW Bus ein echtes Drei-Gänge-Menü.
Wir sind faul. Rucksäcke schleppen? Nur auf dem Jakobsweg. Fahrräder tun irgendwann im Schritt weh. Keine Chance. Jeden Abend ein Zelt aufschlagen? Für wochenlanges Campieren auf harten Isomatten? Bitte nicht. Einen Anhänger hinter uns herziehen? Blöd und unbequem. Einen alten Transporter in eine Bleibe umwandeln? Nicht doch! Wir mögen weder Tage in Baumärkten, noch Nächte mit Sägen und Schreinern verbringen. Zudem TÜV hier, Richtlinien da. Nicht unser Ding.
Welche Alternativen blieben übrig? Nicht viele. Unser JA-Wort gaben wir schließlich einem gebrauchten Renault Evado. Der ist schon per Definition ein PKW, eine Art Minibus mit drei Sitzreihen nebst versenkbarem Tisch hinter dem drehbaren Fahrersitz. Entfernt man die Sitze der zweiten Reihe, lässt sich aus der dritten mit wenigen Handgriffen eine komfortable 1,90m x 1,40m Liegefläche aufklappen. Darauf eine Decke, zwei handelsübliche Auflagen, wie für Gartenliegen üblich. Et voilà, ein ausreichend weiches Bett hat das Licht der Welt erblickt. Drumherum Stauraum für Kleinkram wie Tisch, Stühle, Wasserkanister, Geschirr, Kocher und Kleidung,.
Flexibilität, die allerdings ihren Preis hat. Kein fließendes Wasser, keine Toilette, kein Dusche. Keinerlei Schränke, Sitzecken oder Einbauküchen. Sämtliche Utensilien müssen in Kisten oder Taschen verstaut werden. Kochen, leben und sein findet vornehmlich im Freien statt. Was, wenn es regnet? Dann bleibt die Küche kalt. Dann wird ein Buch gelesen, Radio gehört oder ein Märchen erzählt. Wem das nun wiederum zu einfach ist, dem bleibt nur der klassische Camper. Nichts für uns Dauerreisende. Wir lieben Überraschungseier. Wildes Campen bietet eine Menge davon.
Wie wir täglich den perfekten Ort gefunden haben, erfahrt ihr im nächsten Teil.
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Text: Sarah Paulus (www.sarahpaulus.de)
Foto: Rolf G. Wackenberg (www.wackenberg.com)