Jedermannsrecht für Jedermann
Wer wochenlang ohne Kompromisse campen will, noch dazu wild, wird sich über kurz oder lang mit einer essentiellen Frage auseinander setzen müssen: Geht das überhaupt?
In Deutschland gibt es das so genannte Betretungsrecht. Es regelt den freien Zugang zu Wäldern und Fluren zum Zwecke der Erholung und findet seine Konkretisierung im Bundesnaturschutz- und Bundeswaldgesetz sowie im Wasserhaushaltsgesetz. Überraschend: Freies Übernachten in Zelten oder Wohnmobilen ist nicht geregelt. So oder so ähnlich sieht die Situation auch in anderen europäischen Ländern aus. Ebenso vieldeutig die Meinungslage einschlägiger Internetforen. Leider kann niemand so ganz genau sagen, ob wilde Nachtasyle lediglich geduldet oder gar verboten sind.
Unsere Erfahrungen auf diesem Gebiet erstreckten sich bisher auf Deutschland, Frankreich, Italien. In den letzten zehn Jahren hatten wir das ein oder andere Mal outdoor übernachtet. Allerdings immer nur für wenige Tage und mit unauffälligen PKWs. Unter dem Radar. Nie fand sich ein Kläger, ein Richter, ein Henker.
Doch schauen wir auf die Gärten Eden: Norwegen, Finnland, Schweden, Schottland, Schweiz. Das Zauberwort hier: Jedermannsrecht. Ein teils geschriebenes, teils ungeschriebenes Gewohnheitsrecht, das allen Menschen die Nutzung der Wildnis, selbst von privatem Landeigentum ermöglicht. Wie immer mit gewissen Einschränkungen, die sicherstellen sollen, dass Mutter Natur weder verschmutzt noch zerstört wird. Im Wesentlichen soll kein Müll zurückgelassen werden. Das Befahren von freiem Gelände jenseits von Straßen oder Wegen ist verboten. Ansonsten kann genächtigt werden, wo immer man möchte, sofern dies nicht durch individuelle Park-, Halte- oder sonstige Verbote eingeschränkt ist.
Nach allem, was an Informationen zu finden ist, kann outdoor wohl in Schweden am freizügigsten gelebt werden. Vielleicht deshalb, weil das schwedische „Allemansrätten“ selbst nicht schriftlich fixiert ist und lediglich seine Grenzen durch begleitende Gesetzestexte flankiert werden. Diese besagen: Nicht stören, nichts zerstören. Solange man dies verinnerlicht, die einschränkenden Verbote ebenso berücksichtigt, auch das Jagen, Sammeln und Fischen betreffend, kann sich der Reisende bei seinen Aktivitäten in freier Natur immer auf das „Allemansrätten“ berufen. Interessant: In Schweden müssen Hunde beinahe überall an der Leine geführt werden, saisonal bedingt sogar im Wald. Ein Fall für den Tierschutz?
Nach gründlicher Prüfung aller Orte haben wir Schweden als Austragungsort für unser Experiment auserkoren. Zugegeben auch deshalb, weil wir Angst vor Hunden haben und die Leinenpflicht vor diesem Hintergrund ganz gewichtig für sich sprach. Schließlich flatterte ein zusätzlicher Auftrag für Schweden hinein. Auf ging’s, ab in den Norden, mehr als 3.000 Kilometer durch die Regionen Skane, Blekinge, Smaland, Öster- und Västergötland, Södermanland und die Insel Öland.
Womit? Davon mehr im nächsten Teil in etwa einer Woche.
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Text: Sarah Paulus (www.sarahpaulus.de)
Foto: Rolf G. Wackenberg (www.wackenberg.com)